Die Musik und ihren Einfluss auf unsere Gesellschaft, wurde bisher ansatzweise in Interviews mit Musikern und Künstlern dargestellt. Im folgenden Blog wird die Bedeutung und die Evolution der Musik von den Anfängen bis Heute aufgezeigt. Wir möchten von den Marketing- und Management-Leuten , über Trendsetter und Pioniere bis hin zu Produzenten und zum Künstler, Eindrücke und Hintergründe in Erfahrung bringen um auch die berüchtigte Musikindustrie zu beleuchten.
Für diese aufschlussreiche Auseinandersetzung sind 3 Teile vorgesehen. Im ersten Teil wird die Musik und deren Bedeutung in philosophischer, historischer und soziokultureller Hinsicht behandelt. Der zweite Teil beinhaltet die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung, der kontinuierlichen Kommerzialisierung bzw. Kartellisierung und den okkulten Einflüssen, .
«Die mousikê (die summe der Künste der Musen, oder Musik) ist eines der Elemente der Ausbildung der Seele» so beschreibt Platon in seinem Werk Politeia, die Musik in Zusammenhang mit Gymnastik und hält fest, «dass die vollkommene Seele durch ihre Tugend den Leib aufs bestmögliche ausbildet.»
Die Musik war seit ihrer Entstehung für lange Zeit in Ritus, Kult, möglicherweise aber auch im normalen Alltag der frühen Hochkulturen eingebunden, wo sie erst spät zu einer autonomen Kunst wurde. Die Entstehung der Klänge, Melodien und Rhythmen wird bei den meisten Völkern als Werk der Götter gesehen und es ranken sich unzählige Ursprungsmythen um die Überbringung der Musik. Während eines Jahrtausende andauernden Zeitraums praktizierten die animistischen und schamanistischen schriftlosen Kulturen Riten zur Beschwörung von Geistwesen. Teil ihrer kultischen Zeremonien waren – und sind bis in die Gegenwart – Trommeln, Gesang und Tanz. Mit der Differenzierung der sozialen Gruppen bildete sich ein Priesterkönigstand heraus, die Rollen von Schamane und Medizinmann entstanden.
Die Evolution der Musik im Abendland
Einer der einflussreichsten und bekanntesten Denker und Schriftsteller war der Philosoph Platon, ein Schüler Sokrates. Beide Persönlichkeiten gelten als wegweisende Ideologen der abendländischen Geistesgeschichte. Die Geschichte der europäischen Philosophie, welche durch Kolonialisierung und die Aufklärung (Humanismus, Renaissance) in die Welt hinausgetragen wurde, definiert ihren Anfang in Griechenland. Platon, der hochbegabte Künstler und gebildete Ästhet hat sein Leben den Tugenden gewidmet und sich tiefgründig mit dem Verstand und der Vernunft auseinandergesetzt. Unter philosophischem Gesichtspunkt war jedoch sein Verhältnis zur Kunst – sowohl zur bildenden als auch zur darstellenden Kunst, zur Musik und Literatur – zwiespältig, grossenteils sogar ablehnend.
Seine Kritik an der Kunst, die er im Zusammenhang mit seiner Staatsphilosophie entwickelte, erregte seit der Antike Aufsehen. Wegen der ausserordentlich starken Wirkung der Kunst auf empfindsame Gemüter vertrat er in der Politeia die Überzeugung, der Staat müsse die Kunst reglementieren, um verhängnisvollen Auswirkungen schädlicher Kunstformen auf die Gemeinschaft vorzubeugen. Er ging davon aus, dass schlechte Musik niedere Affekte verstärke, die Herrschaft der Vernunft über das Gefühlsleben bedrohe und so den Charakter verderbe, während schlechte Dichtung Lügen verbreite.
Das Gute erschließt sich nach Platon nicht erst durch die Vernunft, sondern durch die Musik. In der Erziehung des noch Unmündigen hat diese eine Vorrangstellung. So kann sich bereits die kindliche Seele am Wohlklang und dem Schönen der Musik nähren und „selbst gut und edel werden» (Platon: Politeia, 402a.), noch ehe sie der Vernunft teilhaftig wird.
Erziehung und Therapie durch Musik
Zu Beginn seines Gesprächs über Erziehung nennt Platon ihre beiden Grundelemente: Gymnastik für den Leib und Musik für die Seele (Politeia, 376 e). Im alten Griechenland bedeutete der Begriff „Musik“ die geistige, moralische und künstlerische Erziehung allgemein und nicht nur den Teil, der Melodie und Rhythmus zum Inhalt hat, nämlich das, was man heute unter „Musik“ versteht. Rhythmus und Harmonie sind von ganz besonderer Wichtigkeit, denn sie sinken tief in die Seele ein und schenken ihr Schönheit und Anmut. Derjenige, der durch die Musik eine gute Erziehung erhält, wird fähig sein, Schönheit von Hässlichkeit zu unterscheiden, und er wird sich nur mehr an schönen Dingen erfreuen und diese als Nahrung in seine Seele aufnehmen und somit wird er vollkommen in den Werten und ein vollkommener, guter Mensch. (Politeia 401 d – 402 a).
«- Sollen wir dann unseren Kinder erlauben sich ganz beliebige Geschichten anzuhören und so in ihre Seelen Werte aufzunehmen, die denen entgegengesetzt sind, die wir Erwachsene ihnen zu hören geben wollen?
-Nein, das wollen wir keineswegs erlauben!
-Demzufolge ist unsere erste Aufgabe, das Werk der Geschichtenerzähler gründlich zu sichten, die guten Geschichten auszuwählen und die schlechten auszusortieren. Wir veranlassen die Mütter und Kinderbetreuerinnen die geeigneten, ausgewählten Geschichten ihren Kindern zu erzählen und sich mit Hingabe zu üben, diese Geschichten zu nutzen, die Seelen der Kinder zu formen, was weit wichtiger ist, als mit ihren Händen den Leib zu formen.“
Platon: Politeia, 377 a,b,c
Das Ohr ermöglicht „ein gespanntes Horchen oder Lauschen auf das, was aus dem Hintergrund des Schweigens aufsteigt, auf die ‚Stimmen’, die aus der Tiefe kommen. Die Welt des Ohres ist eine hintergründige Welt, eine Welt der Geheimnisse“, so formuliert es der deutsche Philosoph und Pädagoge Otto Friedrich Bollnow. Die Musik als tiefenpsychologische, ganzheitliche Therapie ist Methode der angewandten Psychologie. Albert Schweitzer seines Zeichens Theologe und Philosoph, hat sich in seinen Arbeiten zur Musik, insbesondere mit dem bekannten Komponist und Orgel- und Klaviervirtuosen Johann Sebastian Bach befasst:
„Je tiefer man in Bach eindringt, erlebt man es mit dem immer erneuten und immer größeren Erstaunen, mit dem der denkende Mensch die alltäglichen Geschehnisse in der Natur als die größten Wunder an sich vorüberziehen lässt“.
Albert Schweitzer: Johann Sebastian Bach. 1908; Nachdruck Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 1979
«Diese Wunder jedoch ziehen, dem sie sich offenbaren, nicht spurlos vorüber. Sie ziehen vielmehr eine gewandelte Gesinnung nach sich, die die egozentrische Weltsicht aufgibt und inneren Frieden findet, weil sie der geistigen Verbundenheit von allem, was ist, gewahr wird.»
Wieviel „Musik“ ist in Schweitzers Ethik? (Gottfried Schüz) (Vortrag, gehalten beim Symposium „Albert Schweitzer und die Musik“ Europäische Orgelakademie 1.-3. Juni 2007 in Königsfeld)
Das tiefere Denken stellt sich in aller Wahrhaftigkeit der Frage nach dem Grundsinn unseres Daseins im Verhältnis zum Leben im ganzen. Solches Denken umfasst und erfasst unser ganzes Wesen und bildet mit unserem „Fühlen, Ahnen, Sehnen und Wollen“ eine „geheimnisvolle Einheit“. Albert Schweitzer: Kultur und Ethik, S. 237; vgl. Schweitzer, Albert: Kulturphilosophie III. Erster und zweiter Teil, S. 179f.
Musik und die Mystik
Ein solches, alle Tonarten und Oktaven des Menschseins umfassendes, musikalisch inspiriertes Denken mündet für Schweitzer ein in „wahre Mystik“. „Mystik liegt überall da vor, wo der Mensch sein naturhaftes Sein in dem unendlichen Sein zur geistigen Hingabe an es gelangen lässt. Mystik ist tiefste Denkweise“ (Schweitzer: Kulturphilosophie III. Erster und zweiter Teil, S. 192.). Diese «geheimnisvolle Einheit» die «wahre Mystik» ist eine tiefsinnige Erfahrung einer göttlichen oder absoluten Wirklichkeit. Der Sinn wird vom Sehen auf das Hören verlagert und auf der Begriff Mystik geht auf das griechische Wort myein zurück: das Verschliessen der Augen, Initiation und Einweihung. Ein Mystiker öffnet uns das innere Ohr, sodass uns der Multidimensionale Kosmos in seiner Fassbarkeit und Unverfügbarkeit, seiner Hinfälligkeit und Vollkommenheit, seiner Begreiflichkeit und Rätselhaftigkeit erschliesst. Im Gegensatz zu Denjenigen, die vor den Ungereimtheiten und Widersprüchen des Lebens kapitulieren, sind für den Mystiker die Polaritäten (Yin und Yang, Harmonie, Gleichgewicht) und Dualitäten (Gegensätze, Konflikt, Ungleichgewicht) der Welt und des Lebens in der höheren Welt – in welcher der Mystiker heimisch wird – aufgehoben. Diese Überwindung und Harmonisierung ist ein Mysterium welches anfangs nur in Geheimlehren durch rituelle Initiation durch einen Führer oder Priester (Mystagoge; von griech agogein = führen, leiten) erfahren werden konnte. Auch in der Spätantike und im Mittelalter wird der Ausdruck auch weiterhin im Sinne von etwas Dunklem und Geheimnisvollem verwendet (siehe dazu auch franz. mystérieux – dt. mysteriös).
Seit weit über achthundert Jahre wird in Hawaii ein kulturelles, psycho-spirituelles Verfahren angewendet, welches die physischen, emotionalen und spirituellen Aspekte berührt*. Als geistige Reinigung, einer Korrektur von Fehlverhalten (Sünden), ist es sowohl eine vielstufige Gebets- und Atemrunde als auch eine Philosophie und ein Lebensstil, ein mystischer Entwicklungsweg. Durch Aussprache (bis zur Beichte), gegenseitiges Bereuen und Vergeben in versöhnlicher, friedlicher Weise wird zur Konfliktlösung (einschliesslich Lossprechung) beigetragen, dabei bis zur praktizierten Feindesliebe reichend.
*Pali Jae Lee and Koko Willis: Tales from the Night Rainbow, Night Rainbow Publishing 1990, Honolulu, Hawaii