Am 25. September stimmen wir über die AHV-Plus Initiative ab. Die Initiative verlangt eine Pauschale Erhöhung aller AHV-Renten um 10%. Auf einen Schlag würden so Rentner 10% mehr Geld erhalten. Woher das Geld kommt lassen die Initianten offen. Grund genug einmal unser Sozialsystem in der Schweiz genauer zu beleuchten. Denn es besteht nicht nur aus einer AHV-Rente.
Sie will die Bundesverfassung wie folgt ändern:
Art. 197 Ziff 10/2 (neu, kann noch ändern)
Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt:
10. Übergangsbestimmungen zu Art. 112 (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung)
1. Bezügerinnen und Bezüger einer Altersrente haben Anspruch auf einen Zuschlag von 10 Prozent zu ihrer Rente.
2. Der Zuschlag wird spätestens ab Beginn des zweiten Kalenderjahrs ausgerichtet, das der Annahme dieser Bestimmung durch Volk und Stände folgt.
Unser Sozialsystem besteht in erster Linie aus drei Säulen
Wir haben die erste Säule, sie umfasst die Staatliche Vorsorge. Ihr Ziel ist die Existenzsicherung, also dass man nicht stirbt. Die gesetzlichen Grundlagen dazu bilden das AHVG, das IVG und das ELG. Anspruch auf Leistungen der ersten Säule haben Personen, welche einen Wohnsitz in der Schweiz begründen oder in der Schweiz gearbeitet haben. Finanziert wird Sie nach dem Umlageverfahren, das bedeutet, wenn jemand Geld einzahlt, bekommt es ein anderer direkt ausbezahlt. Dieses Verfahren nennt man auch interpersonaler Ausgleich. Finanziert wird das System aus paritätischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen, sprich, Lohnabzug beim Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zahlt nochmals gleichviel für den Arbeitnehmer obendrauf. Weiter zahlen Selbständigerwerbende und auch Arbeitslose in die AHV ein. Jeder Schweizer Bürger ab Vollendung des 21. Altersjahres (ab dem Jahr in dem man 21 wird), muss einen Beitrag in die erste Säule zahlen. Weiter wird die Säule durch direkte und indirekte Steuern quersubventioniert (Mehrwertsteuer, Tabaksteuer und Alkoholsteuer in erster Linie). Zu Guter Letzt erhält die Säule Abgaben von Spielcasinos und den Ertrag des Ausgleichsfonds, welcher die Auszahlungen regelt.
Die erste Säule, als AHV, IV und EL kann demnach als Generationenvertrag angesehen werden, welcher durch Zwang ein Solidaritätsgefühl entwickelt. Die Jungen zahlen die Alten. Die Jungen werden einmal alt und haben den Wunsch, dass die dann Jungen ebenfalls für sie zahlen. Dort birgt sich auch die Gefahr dieser Säule. Was, wenn zu wenig Leute arbeiten oder es zu wenig Junge gibt?
Die zweite Säule beherbergt die Pensionskassen. Sie sind, zusammen mit der ersten Säule, sagen wir einfachheitshalber dazu nur AHV, dazu da, die Sicherung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise, man sprich hier von 60% des Einkommens, dass man hatte, bevor man pensioniert wurde, zu gewährleisten. Natürlich erhalten finanziell Schwache hier mehr als 60% und finanziell Starke weniger, aber dazu später mehr. In die BVG (Pensionskasse) können nur Arbeitnehmende einzahlen, für Selbständigerwerbende ist dies freiwillig. Man muss mindestens einen Lohn von Fr. 21‘150.00 (2016) erreichen um einzahlen zu können/dürfen/müssen. Dies birgt vor allem für alleinstehende Frauen ohne festen Job Gefahren, dazu ebenfalls später mehr. Die BVG ist ein Kapitaldeckungsverfahren, ein intertemporaler Ausgleich. Sie wird also finanziert durch Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wieder zu gleichen Teilen, aber mit dem Unterschied, dass das Geld bei den Kassen liegen bleibt und für die eigene Rente am Schluss gebraucht wird. Die Kassen sitzen aber nicht einfach so auf dem Geld, sie investieren es zinsbringend. So sollte man am Schluss des Arbeitslebens eine Gute Rente haben mit viel Rendite.
Negativ dabei ist jedoch, dass wenn der BVG-Versicherer sich am Kapitalmarkt verschätzt, es zu Einbussen kommen kann. Gleiches gilt bei Bankenkrisen. Ebenfalls darf man hier die Inflation nicht ausser Acht lassen.
Abgerundet wird unser System mit der dritten Säule. Diese basiert auf freiwilliger, privater Basis. Sie wird auch gerne Selbstvorsorge genannt. Einerseits haben wir die gebundene Vorsorge, die Säule 3a, andererseits die Säule 3b. Als Säule 3b ist das eigene Ersparte gemeint. Die Säule 3a können aber nur erwerbstätige Personen haben. Dort zahlt man einen gewissen Betrag monatlich auf ein Sperrkonto bei einer Bank oder einer Versicherung, erhält dafür höhere Zinsen und muss weniger Steuern zahlen. Bei Auszahlung wird aber ein gewisser Teil wieder versteuert, dennoch ist es ein Vorteil. Durch dieses Steuerprivileg kann man auch sagen, dass der Staat hier Versicherungen und Banken passiv quersubventioniert. Anm.: Da hilft der Staat mal wieder den „richtigen“.
Diese drei Säulen haben sich seit Einführung 1948 (Beginn AHV) stetig ausgebaut und verfeinert. Ziel dieses System im Gesamten ist die Absicherung der wirtschaftlichen Folgen der Risiken von Alter, Tod und Invalidität. Zu Deutsch, dass, wenn man Alt und gebrechlich ist, man noch Geld zu leben erhält. Genau dieses Geld will die AHV-Plus Initiative um 10% erhöhen.
Das Drei-Säulen-Prinzip der Schweizer Sozialverischerung
Finanziell Schwache
Personen, welche durch dieses drei Säulen Netz fallen, werden mit weiteren Leistungen unterstützt. Jemand, der nur eine kleine AHV-Rente erhält, zudem nie BVG-Obligatorisch war und auch selbst kaum Erspartes hat, muss dank diesen Leistungen nicht auf die Strasse. Beratungsstellen wie RAV oder Sozialdienst helfen dieser Person an Geld zu kommen um über die Runden zu kommen. Vielmals wird den Betroffenen Ergänzungsleistungen ausbezahlt. Ergänzungsleistungen oder EL wird benötigt, um die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben zu decken. Eine EL kann 5 Franken pro Monat betragen, aber auch 15‘000 Franken. Sie ist also nicht plafoniert. Beispielsweise Heimkosten von älteren Personen werden durch die EL mitfinanziert. Die EL, welche seit 1966 in Kraft ist, wurde stetig ausgebaut und umfasst heute Zahlungen von ca. 5 Milliarden Franken pro Jahr. Bezügerinnen und Bezüger der EL werden zudem weitere Vergünstigungen zugesprochen. Ein EL-Bezüger zahlt beispielsweise keine Krankenkassenprämien mehr, da diese durch die EL selbst übernommen werden (durchschnittliche Kantonsprämie). Viele Menschen in der Schweiz sind auf die Ergänzungsleistungen angewiesen. Diese sind zudem von den Steuern befreit.
Jedoch gibt es immer wieder Einzelfälle in denen eine EL nicht gutgesprochen werden kann, aber der Betroffene gleichwohl zu wenig zum Leben hat. Dafür haben wir aber ebenfalls Auffangnetze wie Sozialdienst oder andere soziale Institutionen. Durch dieses Netz fällt fast keiner.
Ein Beispiel wie die EL eingestzt wird
Annahme der Initiative
Bei Annahme dieser Initiative würde die Kaufkraft der Rentner schlagartig um ca. 10% steigen, sprich, der Markt würde belebt werden. Was aber klar wäre ist, dass Ergänzungsleistungen für besonders finanziell schwache alte Menschen um 10% zurückgehen würde. Dies würde die EL entlasten und somit Kosten einsparen. Der Rückgang ist insbesondere dadurch zu begründen, dass diesen Personen schlagartig 10% mehr Einkommen zufliesst, was automatisch 10% weniger Ergänzungsleistungen benötigt. Bei Wegfall dieser 10% kann es aber sein, dass Personen danach nicht mehr angewiesen sind auf EL. Dort kann es sein, dass diese Personen aber mehr Abgaben zahlen müssen und so weniger Geld im Geldbeutel haben als bei Ablehnung, da die AHV-Rente steuerpflichtig ist und bei Wegfall der EL keine Prämienverbilligung mehr beantragt werden könnte.
Kurz gesagt, für finanziell schwache mit EL ist die Annahme bestenfalls ein Nullsummenspiel.
Bringen würde die Initiative nur den knapp über der EL Grenze liegenden Personen mit sonstigem geringen Einkommen. Den finanziell gut bekleideten Alten bringt die Initiative kaum etwas, denn Sie haben bereits genug zum Leben (Gute BVG Rente oder dritte Säule, oder sie arbeiten weiter). Die Annahme der Initiative würde also die finanziell Schwachen weiter schwächen und nur einer Minderheit etwas bringen. AHV-Nichtrentenbezüger mit einbezogen.
Eine ältere Frau in Deutschland wühlt in einem Mülleimer.
Finanzierung
Die Finanzierung der 10% mehr AHV lassen die Initianten aus. Es ist also bei Annahme der Initiative offen, wie die Erhöhung finanziert werden könnte. Generell stehen aber zwei Möglichkeiten offen, denn eine Erhöhung der Einnahmen muss sein. Einerseits eine Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge. Dies würde zu weniger Löhnen führen und mehr Kosten für die Arbeitgeber. Auf einen Arbeiter gesehen ist der Betrag klein, aber für Arbeitgeber kann es ein grosser finanzieller Aufwand sein. Arbeitgeber hätten mehr abzugeben und würden so an anderen Orten sparen müssen. Stellenabbau und Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland könnten die Folge sein davon. Dies würde zu einer Schwächung des Wirtschaftsstandortes Schweiz führen, was ebenfalls zur Schwächung der AHV führt. Ein anderer Denkanstoss wäre die Subventionierung durch Mehrwertsteuer oder andere Steuern. Diese bedeutet aber, dass Produkte teurer werden bzw. wieder die Arbeitgeber mehr Geld an den Staat abzugeben hätten (MwSt.). Andererseits könnten die Allgemeinden Steuern steigen oder Geld würde an anderen Orten fehlen (andere Quersubventionierung).
Befürworter argumentieren, dass die BVG Renten in den nächsten Jahren sinken werden. Die Renditen an den Kapitalmärkten sind unsicher, die Rentenbeiträge würden steigen und die Renten sinken. Dies kann gut sein, diese Schieflage aber mit Renten der ersten Säule quersubventionieren, indem man pauschal alle Renten erhöht, ist der falsche Weg. Wie oben bereits dargelegt, hilft die AHV-Plus Initiative nur wenigen Leuten, denn meisten schadet sie. Eine Annahme der Initiative wäre also kontraproduktiv.
Persönlicher Kommentar
Es ist traurig mitanzusehen, wie wenig Gewerkschaften und Linke von unserem Sozialversicherungssystem verstehen. Es ist gerade zu beängstigend. Die AHV-Plus Initiative ist gut gemeint ist, aber zu wenig durchdacht. Sie ist, wie viele Initiativen leider heute, nur auf Symptombekämpfung aus, die mit schlagenden Argumenten wie „Wer rechnen kann, stärkt die AHV“, daherkommt. Dieser Spruch könnte fast schon von der SVP sein. Durch EL Einbussen bei den Armen und finanziellem Mehraufwand bei Staat und vor allem schlussendlich bei Wirtschaft und Gesellschaft ist die AHV-Plus Initiative meiner Meinung nach klar abzulehnen. Sie ist gut gemeint, aber bewirkt im Endeffekt genau das Gegenteil. Es gilt die Altersrevision 2020 abzuwarten und dort den Hebel am richtigen Ort anzusetzen. Für mehr Sicherheit der Rentner und gegen Verschwendung von Steuergeldern. Um es mit den Worten der Befürwortern abschliessend zu sagen: „Wer rechnen kann, stärkt die AHV“ indem er NEIN stimmt am 25. September 2016 zur AHV-Plus Initiative.