Limmattaler Zeitung | Als «Weltpremiere» hatte Hans-Peter Portmann, Bankdirektor bei der LTG, FDP-Kantonsrat und Präsidiumsmitglied des Zürcher Bankenverbandes, das Treffen angekündigt.
Beteiligte und Sympathisanten der Protestbewegung Occupy Paradeplatz, die von der weltweiten Bewegung Occupy Wall Street inspiriert ist, diskutierten mit Vertretern des Zürcher Bankenverbandes. Die Diskussion war hitzig und, wie einer der Paradeplatz-Besetzer am Schluss meinte, «hoffentlich erst der Auftakt zu weiteren Gesprächen».
Dialog unter schwierigen Umständen
Das Treffen kam unter schwierigen Umständen zustande: Aktivisten hatten Portmann aufgefordert, sich der Diskussion auf dem von ihnen besetzten Lindenhof im Rahmen einer Vollversammlung zu stellen. Portmann verweigerte dies, da er nicht in einem «rechtsfreien Raum» diskutieren wollte. Er lud auf neutralen Grund, in einen Raum der Zürcher Kirchgemeinde St.Peter. Die Occupy-Paradeplatz-Aktivisten weigerten sich jedoch, mit einer offiziellen Delegation dort zu erscheinen. «Es ist einzelnen Personen nicht möglich, die Bewegung zu vertreten», erklärten sie.
Dennoch erschienen zahlreiche Aktivisten im Kirchgemeindesaal. «Sie wollten mir verbieten, hierher zu kommen. Das ist der erste Schritt zur Demokratur», meinte einer von ihnen. Auf dem Podium diskutierten neben Portmann Bankenverbands-Sekretär Dieter Sigrist mit Alma Redzic, Kantonsrätin der Jungen Grünen, und Bea Gyr,
Sympathisantin der Paradeplatz-Besetzer.
Teil 1
Teil 2
Die Aufnahmen wurden uns auf info@wearechange.ch zugespielt. Da die Berichterstattungen der Leitmedien gewisse wichtige Inhalte weggelassen haben, wird die Debatte hier ungeschnitten zur Verfügung gestellt.
Doch schon bald mischte sich das Publikum ein. Ehemalige Banker und Aktivisten der Organisation «We are Change» kritisierten das Bankenwesen fundamental: Zinsen führten zu einem Finanzsystem, das sich von der Realwirtschaft immer mehr abkopple, hiess es. Die Banken würden Geldmengen ohne Gegenwert erzeugen und verschieben – zu ihren eigenen Gunsten. Die damit verbundenen Risiken trage die Schweizer Gesellschaft, wie das Beispiel der UBS zeige.
Ex-Banker Oliver Disler kritisierte insbesondere die 1991 erfolgte Aufhebung des Goldstandards im internationalen Währungssystem und den Verkauf des Golds der Schweizer Nationalbank wenige Jahre später.
«Unverschämte Einkommen wünscht sich niemand»
Portmann entgegnete, die Schweiz habe bei der Banken-Regulierung weltweit eine Pionierrolle übernommen. Auch die Banken selbst hätten interne Salärregulierungen eingeführt. «Unverschämte Einkommen wünscht sich niemand», sagte er, hielt aber fest: «Übertreibungen müssen wir nicht gesetzlich regulieren. Die Gesellschaft reguliert sich selbst – auch über Bewegungen wie Occupy Paradeplatz.» Im Übrigen seien nicht sämtliche Missstände der Weltwirtschaft den Banken anzulasten. So sei die Finanzkrise vor drei Jahren von Häuserbauern in den USA ausgelöst worden, die Kredite aufnahmen, die ihre Verhältnisse überstiegen. Überhaupt sei das geltende System demokratisch gewollt und habe der Schweiz viel Wohlstand gebracht.
Bankenverbands-Sekretär Sigrist doppelte nach, der Einfluss der Banken werde überschätzt. «Wir haben viel zu wenig Einfluss. Am meisten Einfluss haben hierzulande die Bauern.»
«Jetzt wirds lächerlich», war aus dem Publikum zu vernehmen, und die Emotionen gingen hoch. «Es geht uns gut, weil Menschen auf die Strasse gingen und sich Sozialwerke wie die AHV erkämpften», meinte ein junger Votant. «Der Preis für den Wohlstand ist Burnout und Stress», war zu hören. Und, von einem jungen Ex-Banker: In der Dritten Welt müssten Menschen verhungern, da der Weizenpreis von Spekulanten hochgetrieben werde. «Herr Portmann, wie schlafen Sie nachts?»
Portmann verwies darauf, dass er seit seiner Jugend in seiner Freizeit Menschen am Rande der Gesellschaft helfe, wurde aber nahezu niedergeschrien. «Es gibt Fehlentwicklungen, aber das System ist nicht falsch», sagte der FDP-Politiker.
Als die Diskussion zu eskalieren drohte, übernahm René Müller, einer der Paradeplatz-Besetzer, die Gesprächsleitung und appellierte an den Anstand der Empörten: «Wir haben den Anspruch, respektvoll miteinander umzugehen. Das hier war die Nagelprobe für uns.»
Text von Matthias Scharrer