«Die Anstalt» ist eine preisgekrönte Kabarettsendung des ZDF. Was so ein Preis aussagt, das wage ich zwar grundsätzlich zu bezweifeln. Aber wenn ich einen Preis zu vergeben hätte, dann ginge er an «Die Anstalt».
Als Laie zerbreche ich mir allerdings oft den Kopf darüber, ob diese Sendung Kabarett, Tragödie oder verdammt gutes Theater ist. Die Inszenierung des Ganzen hat sicher einen Theater-Touch. Die verschiedenen Ebenen der Kulisse werden viel mehr eingesetzt als in der Vorgängersendung «Neues aus der Anstalt» mit Urban Priol, Herr Pelzig, (anfangs) Georg Schramm etc.
Am Anfang der Sendung sitzen Claus von Wagner, Klaus Eckel unten mit Anzug und iPad (mit einer Birne hinten drauf) und palavern, als Zeus oben sauer wird, weil es seinem Volk schlecht geht, und einen Blitz herunterschickt. Die beiden unten sind mittlerweile zu dritt und wollen ihm den Strom abstellen, denn auch sie sind Götter. «Wir sind die Troika. Wir sind Götter. Aber Sie können auch Institutions zu uns sagen.»
«Die Anstalt» ist ein Schlüssel zu verschiedenen Ursachen der Krisen dieser Welt, die anderswo in unserer Unterhaltungs- und Informationswelt viel zu kurz kommen oder völlig verwässert werden. Warum so ernsthaft, fragt sich der Fernsehkonsument. Kabarett, bei dem einem das Lachen im Halse steckenbleibt? Warum? Der geneigte Zuschauer, der hinhört, denkt und fühlt, findet die Antwort schnell. Das System ist so subtil und einengend geworden, dass viele nur noch den Kopf in den Sand stecken und/oder bekloppt werden. Und es wird schlimmer. Umso schlimmer werden die Gags, denen der Zuschauer ausgeliefert ist. So schlimm, dass er erkennt: Dieser Gag ist nicht einmal zugespitzt, und wenn, dann nur leicht. Schlimmer: Dieser Gag ist real. Ich finde, dass hier eine Schmerzgrenze erreicht ist. Am liebsten würde ich alles abschalten und in den Telepathie-Modus übergehen. WLAN aus, Telefon aus, Stecker raus. Und mich fragen, was ich tun kann. Nichts. Ausser schrei(b)en.
Viel Wut ist da. Bei mir. Und bei vielen Demonstranten und Nichtdemonstranten. Die EZB hat in Frankfurt ein Monument als Firmensitz eingeweiht. Die Feierlichkeiten wurden gestört von Demonstranten. Blockupy hat ein Zeichen gesetzt, während ein Verbrecher wie die EZB geschützt wurde, während es sich selbst und seinen Stahlglasphallus feierte. Zwischendurch gibt Max Uthoff eine Parabel auf die Blockupy-Demo, in der die Demonstranten als Rotkehlchen, Bullen als Blaumeisen und Journalisten als Vollmeisen auftauchten. Untertauchen tun hingegen die Griechen. Sie versinken in einem imaginären Schuldenberg, ihre Fischerboote verrotten und sie investieren in Kriegsinstrumente, was eine Bedingung war für die Kredite, die irgendjemand, nämlich die Banken, bekamen. Das Volk ging leer aus.
Waffenkäufe und -verkäufe sind ohnehin ein Must in Europa. Denn ohne Krieg kein Frieden, glauben manche immer noch. Leer ausgegangen war Griechenland auch im Hinblick auf Reparationszahlungen an Griechenland, das ziemlich schwer gelitten hatte unter Nazideutschland. Darunter ein fetter Bankraub, ähm, Zwangskredit an Deutschland, der nie zurückbezahlt wurde. Und Massenmord in einem griechischen Dorf, in dem nur wenige überlebt hatten. Ein kleiner Junge, der überlebt hatte, wurde damals fotografiert. Und «Die Anstalt» lud diesen Jungen, der mittlerweile um einiges älter ist, in die Sendung ein. Die deutsche «Regierung» hat Griechenland jahrzehntelang hingehalten und den Deckel draufgemacht. Und der Gauckler flog kürzlich inoffiziell nach Griechenland, um sich für die deutschen Kriegsverbrechen zu entschuldigen und gleichzeitig mitzuteilen, dass man nicht davon ausgehen könne, dass Deutschland je Reparationszahlungen tätigen wird.
Kaberett-Urgestein (heute wird man ja so schnell «alt») Arnulf Rating gibt frisch und fröhlich den gemeinen Zeitungsleser («Wissen Sie, ich verfolge Griechenland ja in der Presse, ich lese ja Zeitung, das machen die wenigsten, obwohl das ja ein abhörsicheres Medium ist.») und zitiert Scharfmacher-Titel aus der «Bild» wie «Nehmt den Griechen den Euro weg!» («Ach, haben die noch einen?»). Arm sind sie, aber sie haben die grösste Panzerarmee Europas. Und die Stinkefinger-Affäre beantwortet Rating mit einem Foto des neuen Sitzes der EZB (Europäische Zentralbank), zeigt darauf und sagt: «DAS ist Europas grösster Stinkefinger.»
Abschreiben ist erlaubt
Und wen wunderts da noch, dass die Eröffnungsfeier eines Phallussymbols ohne Gegenwert von Demonstrationen begleitet wird? Max Uthoff bekommt Frühlingsgefühle, Blaukehlchen verfolgen die Rotkehlchen und die Journalisten haben eine Vollmeise. Der Journalismus bekommt auch in dieser Folge der «Anstalt» sein Fett weg. Falschinformationen («In der Journalistenschule ist Abschreiben erlaubt.») werden verbreitet. Und was momentan im Blätterwald abgeht wegen des Flugzeugabsturzes einer Germanwings-Maschine in Frankreich geht auf keine Dinosaurierhaut. Depressiv soll der Copilot gewesen sein. Zum Islam soll er konvertiert sein. Dass aber in seinem Kaffee ein Schlafmittel und der Mann vielleicht deswegen so ruhig war, daran hat wohl niemand gedacht. Nein, die Medien spekulieren erst, und dann kommen sie mit ihren Dementoren und dementieren, was das Zeug hält.
Uthoff versucht einen Tresor zu öffnen. Er will sein Geld retten. Jahrelang Steuern bezahlen für die Griechen, das passt ihm nicht. Doch er hat gar nicht gezahlt, sagt von Wagner, er hat geliehen. «Das sind Kredite.» Die Eurokrise hat den Steuerzahler null Cent gekostet. Im Gegenteil: Die Griechen zahlen Zinsen. Das ist also ein stinknormaler Abzocker-Bankenkredit. Die Kreditgeber sahnen ab und Griechenland verrottet. Da bestimmte Herren ja Krieg brauchen, um Frieden zu bekommen, aber keinen Krieg wollen in Europa (den halten sie sich vom Leib, indem sie Waffen verkaufen und Kriege sozusagen auslagern, die ja wirtschaftlich imminent wichtig sind), lassen sie Griechenland, Spanien etc. über die Klinge springen mit einer künstlichen Krise (Schuld gibt es nicht, sie wird generiert, so funktioniert das Sklavensystem), die einen Zusammenbruch auslöst mit kriegsähnlichen Auswirkungen auf Wirtschaft und Zusammenleben. Frauen lassen ihre Babys nach der Geburt in Krankenhäusern liegen und fliehen, weil sie nicht für sie sorgen können. Und die deutsche Journaille erzählt weiter Lügengeschichten. «Wer die Bild-Zeitung liest, um sich zu informieren, trinkt auch Bier, wenn er durstig ist» bringt es Claus von Wagner auf den Punkt.
In Deutschland ist ein Ehepaar, dem der Strom abgestellt wurde, an den Folgen der Armut gestorben:
http://mantovan9.wordpress.com/2015/03/29/hartz-iv-news-wenn-hartz-iv-zum-tode-fuhrt-und-mehr/
Sie atmeten giftige Gase eines Notstromaggregats ein. Andere haben Rasenroboter. Grotesk, sehr traurig und alles verrückt. Kabarettist Klaus Eckel bringt den Irrsinn in einem Monolog zusammen, endlich wird das Lachen aktiviert, genial. Trotzdem: Der Nachgeschmack dieser Sendung ist erschütternd. Ich fühle mich mir und meiner Umwelt enorm verpflichtet. Wir steuern auf den Kollaps zu. Den menschlichen Kollaps. Hoffentlich können wir die Geschichte neu schreiben. Es ist möglich. Was in dieser Sendung fehlte, waren die Frauen. In den Cockpits sitzen auch nur Männer. Blöde Breitseite, musste aber mal sein.