Gastblog, geschrieben von David: Mit diesem Essay möchte ich Ihnen ein Thema näherbringen, welches mich sehr bewegt und meiner Meinung nach mehr Beachtung verdient hat. Dies ist weder ein Spendenaufruf, noch geht es mir darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Ich will Sie lediglich dazu animieren, sich selbst kritisch mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
In der Ihnen vorliegenden Arbeit möchte ich die Frage erörtern, inwiefern es einen Zusammenhang zwischen der Haltung von Nutztieren in der Schweiz und der Welthungerproblematik gibt. Auf emotionsschürende Bilder verzichte ich bewusst. Ich bitte Sie höflich darum, mir kein Wort zu glauben, ohne es nicht selbst nachgeprüft zu haben.
Es soll hier weder um ökologische Folgen des Konsums tierischer Nahrungsmittel gehen, noch werde ich auf die Frage eingehen, ob die Haltung von Nutztieren aus tierrechtlicher Sicht in Ordnung geht. Auch gesundheitliche Aspekte werde ich nicht behandeln.
«Die Weltlandwirtschaft könnte problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren. Das heisst, ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.» Zitat von Jean Ziegler
Als mein Urgrossvater Dorfmetzger in einem Dorf im Mittelland war, stillte das Vieh den Hunger noch auf umliegenden Weiden. Kaninchen frassen Löwenzahn, die Hühner scharrten in den Gärten nach Essbarem, und Schweine wurden mit Küchenabfällen gefüttert. Generell wurde weniger Fleisch gegessen, es war etwas Besonderes. Da die Nutztiere nur Gras, Würmer und Abfälle assen, bestand keine direkte Nahrungskonkurrenz zwischen Mensch und Tier. Heute sind Fleisch, Milch und Eier Massenware. Simple Überlegungen genügen um zu verstehen, dass heutzutage angesichts des riesigen Bedarfs an Fleisch und anderen tierischen Nahrungsmitteln nur ein Bruchteil der Nutztiere auf einer Weide lebt und grast. Über 95% des in der Schweiz verkauften Fleischs stammt aus Mastbetrieben
In den Tierfabriken unseres Landes macht Soja rund die Hälfte des Futters aus. Soja ist einfach zu kultivieren, man kann nach verhältnismässig kurzer Zeit ernten und die Pflanze eignet sich hervorragend, um die Tiere möglichst schnell möglichst fett zu kriegen. Das in der Schweiz ver-fütterte Soja stammt fast ausschliesslich aus ausländischer Produktion. Der Löwenanteil stammt aus Südamerika. Auf den Punkt gebracht bedeutet das, dass Soja in die Schweiz importiert wird aus Ländern, in denen es hungernde Menschen gibt, um dieses Soja dann auf eine höchst verschwenderische Art und Weise unseren Nutztieren zu verfüttern.Tatsächlich müsste man hierbei von Nahrungsmittelvernichtung sprechen.
Ist es nicht komisch, dass trotz technologischer Fortschritte, welche eine immense Steigerung der Produktivität mit sich brachten, täglich 37’000 Menschen des Hungertodes sterben und weltweit über eine Milliarde Menschen unterernährt sind?
Diese Zahlen des UNO-Welternährungsberichts von 2011 bestreitet niemand. Genauso stellt niemand die Tatsache in Frage, dass mit der Landwirtschaft, wie sie heute praktiziert wird, gut und gerne 12 Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Trotzdem werden noch nicht mal die 7 Milliarden satt, die momentan diesen Planeten bewohnen
Es drängt sich doch die Frage auf: Was passiert mit all den Agrargütern, die doch eigentlich 12 Milliarden Menschen ernähren könnten?
In der Schweiz werden jährlich 1’700’000 Tonnen pflanzliche Futtermittel an Kühe, Schweine und co. verfüttert zwecks Produktion tierischer Nahrungsmittel wie Fleisch, Käse, Eier etc. Würde man diese Menge an pflanzlichen Nahrungsmitteln direkt verzehren, ohne den Umweg über Tiere, so könnte man damit 30 Millionen Menschen ernähren. Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzflächen in unserer Heimat werden für die Produktion tierischer Nahrungsmittel in Beschlag genommen, hauptsächlich für Futtermittelanbau (v.a. Mais). Dadurch gibt es nicht mehr ausreichend Agrarfläche, um genügend vollwertige, pflanzliche Kohlenhydrate zu produzieren. Diese müssen stattdessen importiert werden. Auf der Vorderseite der Verpackungen im Supermarkt steht nur Bio mit Blümchen, jedoch verrät ein Blick auf die Rückseite: Das Mehl stammt aus Kanada, die Kichererbsen aus China. Ich halte das insofern für einen Fehler, als dass wir dadurch einen erheblichen Teil unserer Autarkie verlieren und eine Abhängigkeit von den globalen Märkten entsteht. Das, obwohl eigentlich genügend Anbaufläche vorhanden wäre, auch für ein paar mehr als 8 Millionen, nur eben nicht mit tierischen Produkten. Den Grossteil der an Nutztiere verfütterten, pflanzlichen Kalorien benötigt das jeweilige Tier, um seinen Stoffwechsel am laufen zu halten. Nur ein Bruchteil der verfütterten, pflanzlichen Nahrung wird in für den Menschen nutzbare, tierische Nahrung umgewandelt. Aus 2kg Getreide kann man ein Rindsplätzli à 90g erzeugen, der Rest wird durch komplexe Vorgänge im Rinderkörper zu Jauche umgewandelt. Durch diesen Umweg über das Tier gehen u.a. 90% der Proteine und 99% der Kohlenhydrate verloren. Alternativ könnte man aus den 2kg Getreide 15 Portionen à 150g machen, womit man anzahlmässig ungleich mehr nahrhafte Mittagessen hätte.
Ein Rind hat nach zirka einem Jahr seine Schlachtreife erreicht. Um die für diese Zeit benötigte Nahrung zu produzieren, wird eine halbe Hektare Land benötigt. Der Ertrag an essbarem Fleisch beläuft sich auf 300kg. Hätte man auf derselben Fläche in derselben Zeitspanne Bio-Getreide angebaut, wäre der Ertrag 2’000kg gewesen, und bei Bio-Kartoffeln sogar 15’000kg. Es wird deutlich, dass Fleisch die mit Abstand ineffizienteste Form der Bodennutzung ist und dass der Umweg über das Tier besonders verschwenderisch ist
Lieber Leser, Liebe Leserin, Sie haben die Macht, etwas gegen diesen systematischen Irrsinn zu unternehmen. Nicht, indem Sie irgendwo Geld spenden zwecks Gewissensberuhigung, und dadurch höchstens die Symptome etwas minimieren, nein. Sie haben die Möglichkeit, die Ursache auszumerzen, nämlich mit Ihrem Messer und Ihrer Gabel. Erweitern Sie doch Ihren kulinarischen Horizont, und kochen Sie morgen mal ohne tierische Produkte. Damit würden Sie wahrlich aufrichtiges Mitgefühl für die hungernden Menschen dieser Welt zeigen
Eine rein pflanzliche Ernährung als Teil einer Lebenseinstellung bedeutet keinesfalls Verzicht angesichts der zahlreichen Alternativen, die es mittlerweile gibt. Es ist lediglich eine Umstellung, welche nichts ist im Vergleich zu dem Lebensgefühl, welches man erhält. Die Gewissheit, dass man nicht mehr Teil eines solch lebensverachtenden Systems ist, ist unbezahlbar, nicht mit allen Kalbsbratwürsten dieser Welt.
Der gesamte Text wurde von mir verfasst. Er darf jederzeit und ohne Einschränkungen ganz oder teilweise weiterverwendet werden. Zu Recherchezwecken habe ich mich folgender Quellen bedient:
WHO/FAO (World Food Report 2002 + 2011-13)
Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh und Fleischversorgung (GSF)
Situationsbericht des Schweizerischen Bauernverbandes 2007.
Swissveg.ch/hunger
EarthSave Foundation.
Bundesamt für Statistik,«Subventionen in der Landwirtschaft».
Youtube: „der dumme Vegetarier“
Buch „Peacefood“, Ruediger Dahlke, Gräfe und Unzer Verlag, München
Wikipedia, Welthunger
NZZ, 11.4.2008, Immer mehr Getreide und immer mehr Hunger
The Guardian, 2.6.2010, UN urges global move to meat and dairy-free diet