Überall sind bereits Wahlplakate zu sehen, die Wahlberechtigten* haben die Wahlunterlagen erhalten. Der Wahlkampf geht in die heisse Phase, bis zur Wahl am 23. Oktober sind es weniger als zwei Wochen. Wahlen sind eine persönliche und schwierige Angelegenheit. Welche Kandidaten aus der riesigen Auswahl sind die Geeigneten um die Interessen des Wählers zu vertreten? Diese Frage kann nur jeder Wähler für sich beantworten. Dieser Blog wird deshalb auch kein Wahlvorschlag präsentieren, sondern lediglich versuchen Wege aufzuzeigen, wie der Wähler eine bessere und fundiertere Wahl treffen kann.
* Zur besseren Lesbarkeit des Artikels wird in dem Artikel nur die männliche Form verwendet. Alle Wählerinnen, Wähler, Kandidatinnen, Kandidaten, Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind damit selbstverständlich gleichermassen gemeint.
Die Kandidaten überprüfen:
Meistens hat der Wähler bereits eine bestimmte Vorstellung welches Spektrum er wählen will. Alle Kandidaten haben ein gleich bezauberndes Lächeln, ihre Absichten sind nur schwer erratbar. Sind die Wähler auf der vorgegebenen Liste jedoch wirklich die, die auch die gewünschte Meinung vertreten? Das kann heute mit dem Internet schnell und einfach überprüft werden.
Eine solche Überprüfung ist relativ schnell gemacht, die Investition von durchschnittlich 5 – 10 min pro Wähler ist gut investierte Zeit. Es gibt die Gewissheit, die richtigen Kandidaten gewählt zu haben.
Zur Überprüfung gibt es folgende Möglichkeiten:
- Wahlverhalten überprüfen:
Viele Personen wissen nicht, dass man sich die Abstimmungsergebnisse der Nationalräte auf der Webseite des Parlaments ansehen kann. Die Abstimmungsergebnisse seit den letzten Wahlen 2007 können über eine Suche angezeigt werden. Wer ältere Abstimmungsergebnisse braucht, der kann sich diese in dem Amtlichen Bulletin zusammensuchen.
Die Überprüfung des Wahlverhaltens eines Kandidaten ist die mächtigste und beste Möglichkeit festzustellen ob ein Parlamentarier seine Interessen vertritt oder nicht.Die Suche kann über ein Parlamentarier oder ein Geschäft geschehen. Leider ist die Suche noch sehr langsam, unübersichtlich und zum Teil fehleranfällig (zweimal den Suche Button anklicken), sie gibt dennoch bereits jetzt einen guten Einblick über das Wahlverhalten eines Kandidaten.
Dazu ein paar Beispiele:
- Vorlage: Bundesbeschluss über die Genehmigung des Beitritts der Schweiz zu den geänderten Neuen Kreditvereinbarungen des IWF
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 10.079 - Finanzkrise und UBS. Einsetzung einer PUK
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 10.3081 - Bundesbeschluss über die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» (Minder Initiative)
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 08.080
Abstimmung Nr.: 4039 (Verlängerung der Beratung um ein Jahr auf 26. August 2011)
Abstimmung Nr.: 5582 (Verlängerung der Beratung um ein Jahr auf 26. August 2012) - Biometrische Pässe und Reisedokumente. Bundesbeschluss
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 07.039 - CO2-Gesetz. Kompensationsauflagen für Gaskombikraftwerke: Bundesbeschluss über die Kompensation der CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 08.046 - Verbot von mittel- und schwerbelastenden Tierversuchen an Primaten
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 06.464 - Abstimmung über die Volksabstimmung für tiefere Krankenkassenprämien.
Legislatur: 48
Geschäftsnummer: 05.055
Eine Übersicht über die Abstimmungen von 1999 bis 2009 kann über die Abstimmungsprotokolle gewonnen werden. Dies sind nicht alle Abstimmungen.
Alle Abstimmungen können im Amtlichen Bulletin eingesehen werden (Für die Schlussabstimmungen suchen nach «Gesamtabstimmung»).Leider sind die Abstimmungsergebnisse der Ständeräte nicht öffentlich! Um dies zu ändern wurde die Transparenzinitiative gestartet, welche zur Zeit läuft. Bitte informieren sie sich.
- Vorlage: Bundesbeschluss über die Genehmigung des Beitritts der Schweiz zu den geänderten Neuen Kreditvereinbarungen des IWF
- Die Voten und eingereichten Vorstösse überprüfen:
Alle Voten und eingereichten Vorstösse der Parlamentarier sind auch auf der Webseite des Parlaments öffentlich einsehbar. Im Gegensatz zu den Abstimmungsergebnissen können hier die Voten und eingereichten Vorstösse von den Nationalräten und Ständeräten eingesehen werden. - Die persönlichen Webseiten und Soziale Medien (Facebook, Xing, etc.) kurz überprüfen:
Was sich auch immer lohnt ist die Webseite und die Sozialen Netzwerke von den Kandidaten kurz zu überprüfen. Einige Meinungen und Aussagen der Kandidaten werden einem unmittelbar präsentiert.
Das ist oft aussagekräftiger als die pauschalen Wahlslogans der Kandidaten. - Die Mandate und Lobbyisten-Liste überprüfen:
- Die Mandate:
Die National- und Ständeräte müssen ihre Mandate in Firmen und Stiftungen offen legen. Dass dabei mitunter Mandate «vergessen gehen» berichtete 20min bereits in ihrem Artikel «Parlamentarier vergessen ihre Mandate». Ein kurzer Blick auf die Mandatenliste enthüllt so manche Verbindungen. - Die Lobbyisten-Liste:
Jeder Parlamentarier kann Freikarten für Personen beantragen, die mit diesen in die Wandelhalle des Bundeshauses gelangen und dort praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit sich mit den Parlamentariern besprechen können. Die Zeitung Weltwoche hat diese Liste veröffentlicht und aktualisiert diese regelmässig.
Die Liste zeigt sehr schön auf, für welche Lobby sich ein Parlamentarier einsetzt (Pharmalobby etc.). Diese Informationen können durchaus zur Streichung von gewissen Kandidaten auf der Wahlliste führen.
- Die Mandate:
- Die Internet Suche:
Aufschluss über einen Kandidaten kann auch die einfache Internetsuche geben:
Sind Einträge im Internet, mit dem Namen des zu überprüfenden Kandidaten und den folgenden Stichwörtern zu finden?- Skandal
- Unterschlagung
- Betrug
- etc.
Beispiel:
Eine solche Suche wird nicht erfolgreich sein? Probieren sie es mal hiermit. Dies ist nur ein exemplarisches Beispiel, es gibt viele andere Beispiele.Als sehr nützlich erweist sich auch die Internet Suche bei der Recherche von Forumeinträgen von Kandidaten. Forumeinträge geben oft sehr direkt die geäusserten Meinungen von Kandidaten wieder.
Sind Forumeinträge im Internet, mit dem Namen des zu überprüfenden Kandidaten und den folgenden Stichwörtern zu finden?- Klimawandel
- Steuern
- etc.
Als eine wichtige Diskussionsplattform für Politiker hat sich die Webseite Politnetz entwickelt. Für die gezielte Suche von Forumeinträgen sind jedoch professionelle Suchmaschinen vorzuziehen.
- Vorsicht vor den sogenannten «Wahlhilfen»:
Seit einigen Jahren stehen dem Wähler online «Wahlhilfen» zur Verfügung. Die bekanntesten sind smartvote und vimentis. Obwohl diese Webseiten gerade bei neuen Kandidaten nützlich sein können um Informationen über die Kandidaten zu gewinnen, reisst die Kritik um diese Seiten nicht ab.
In der Kritik [Info8] [20min] steht vor allem die Funktion der Webseiten, welche aufgrund von Fragen ein Profil des Wählers erstellt und «passende» Kandidaten vorschlägt. Der Kritik nach werden bei dieser Funktion Kandidaten von bestimmten Parteien öfters vorgeschlagen als andere. Alleine die Anschuldigung mahnt zur Wachsamkeit!Es ist sicher sinnvoll diese Seiten zu nutzen um sich ein Bild von Kandidaten zu verschaffen. Vorgeschlagene Kandidaten sind jedoch durchaus mit einer gewissen Skepsis und gesundem Menschenverstand zu begegnen.
- Alternative Parteien in Betracht ziehen:
- Parteifrei.ch
Als eine neue politische Bewegung hat sich in der letzten Zeit Parteifrei.ch formiert.
Parteifrei.ch ist ein Zusammenschluss von frei denkenden Personen, die in einer offenen Liste zu den Nationalratswahlen antreten. Der Zusammenschluss erlaubt den Kandidaten politische Meinungen unabhängig von Parteiinteressen zu vertreten. - Alpenparlament
Wer sich über alternative Medien informiert, der ist sicher schon auf die Webseite des Alpenparlaments gestossen, welche über alternative Themen berichtet.
Das Alpenparlament ist eine Listenverbindung mit der SVP eingegangen, da beide Parteien in vielen Fragen übereinstimmen (Kein EU Beitritt, bewaffnete Neutralität, etc). Sollten die Kandidaten des Alpenparlaments nicht gewählt werden, werden die Stimmen der SVP zugerechnet. - Piratenpartei
Die Piratenpartei ist in letzter Zeit in die Medien geraten, da die Piratenpartei in Deutschland sehr gute Umfragewerte erreicht. Auch in der Schweiz konnte die Piratenpartei schon einige Wahlerfolge verbuchen.
Die Piratenpartei setzt sich gegen den Überwachungsstaat, einen transparenteren Staat und für die Einschränkung des Urheberrechts ein. - PDA
Wer sich eher mit sozialen Ideen und Zielen identifiziert und dennoch nicht in die EU möchte, der wird eventuell mit der Partei der Arbeit eine interessante Alternative finden.
Zu den Forderungen der PDA gehört unter anderem die Einführung eines Mindestlohns und eines existenzsichernden Grundeinkommens.
Die Zugehörigkeit zu alternativ denkenden Gruppen oder alternativen Medien ist noch lange kein Garant für die Vertretung der Interessen des Wählers im Parlament. Das Wahlverhalten muss nach der Legislaturperiode auch bei diesen Kandidaten überprüft werden. Wenn der Wähler aber eine generelle Veränderung in der Politik sucht, dann ist die genauere Prüfung solcher Kandidaten sicher keine schlechte Idee.
- Parteifrei.ch
- Grundsätzliche Überlegungen berücksichtigen:
Grundsätzliche Überlegungen sollten bei der Auswahl von Kandidaten auch berücksichtigt werden. Werden von Kandidaten widersprüchliche Aussagen gemacht, dann ist abzuwägen, welcher Aussage mehr Gewicht zuzumessen ist.Beispiel:
Was nützt die Wahl eines Kandidaten, der sich gegen genmanipulierte Nahrungsmittel aber im Gegenzug für den EU Beitritt ausspricht? Wenn die nationale Souveränität aufgegeben wird, dann wird die Entscheidung, ob genmanipulierte Nahrungsmittel in die Schweiz importiert werden dürfen, nicht mehr von unserem Parlament oder gar dem Volk bestimmt werden. Die Wahl eines solchen Kandidaten wird somit die Einführung genmanipulierter Nahrungsmittel indirekt unterstützen, auch wenn er sich öffentlich dagegen ausspricht.
Was passiert wenn ich NICHT wähle?
Viele Wähler sind durch die Erfahrung, dass sich die Parlamentarier nicht für ihre Bedürfnisse einsetzen, passiv gegenüber den Wahlen geworden. Das Interesse an den Wahlen nimmt ab. Mit Abstimmungen, so die weitläufige Meinung, kann dann ja wieder vieles korrigiert werden. Dies ist eine gefährliche Einstellung, denn die Politiker bestimmen die Gesetze und somit die Bedingungen, welche unser Leben direkt betreffen. Die neue Weltordnung braucht willige Helfer die Gesetze beschliessen, welche die Grundrechte und Freiheiten der Bürger einschränken und die Bürger unter immer grössere Kontrolle und Überwachung bringen. Die meisten Gesetze die durch das Parlament beschlossen werden, werden auch nicht durch ein Referendum vor das Volk gebracht.
Ein paar Beispiele dazu:
- Der EWR und EU Beitritt wären, wenn sie nicht vom Volk gestoppt worden wären, durch das Parlament einfach verabschiedet worden!
- Die Abzocker-Initiative von Thomas Minder wurde am 26.02.2008 mit 114’260 gültigen Unterschriften eingereicht. Inzwischen sind über 3 Jahre und 8 Monate vergangen, die Initiative wird frühestens am 3. März 2013 vor das Volk zur Abstimmung kommen. Nationalrat und Ständerat haben das Begehren mit über 22 Versionen von Gegenentwürfen offensichtlich absichtlich über eine ganze Legislaturperiode hinausgezögert.
- Die Idee, den Zugang ins Internet unter eine totale Identitätskontrolle zu bringen, lagert schon seit längerem in den Schubladen des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes. Eine Vernehmlassung wurde am 19. Mai 2010 gestartet und am 18. August 2010 abgeschlossen. Ergebnisse der Vernehmlassung wurden bis heute nicht veröffentlicht. Einer der wichtigsten Kritikpunkte war Art. 22 Identifizierung von Internet-Benutzern des vorgeschlagenen Gesetzesentwurfs.
Mit anderen Parlamentariern und somit auch anderen Bundesräten und anderen Departementsdirektoren, würde solche gefährlichen Versuche die Freiheiten und Macht des Volkes einzuschränken erst gar nicht gestartet werden.
«Leer oder ungültig wählen» macht einen Unterschied zu «nicht wählen»:
Bei den Wahlen im Jahr 2007 war eine Wahlbeteiligung von 48.9 % vorhanden. Das heisst mehr als die Hälfte aller Stimmbeteiligten hat stillschweigend die Zustimmung zur Wahl gegeben. Als Kontrast dazu, Deutschland erreicht Wahlbeteiligungen von 70% bis 90%.
Besser als nicht zu wählen ist leer oder ungültig zu wählen. Entgegen der weitläufigen Meinung macht das einen sehr grossen Unterschied aus. Mit einem ungültigen oder leeren Wahlzettel kann man seine Ablehnung der vorgestellten Kandidaten zum Ausdruck bringen.
Dazu ein theoretisches Beispiel:
Würden bei einer theoretischen, aber durchaus möglichen Stimmbeteiligung von 78%, alle bisherigen Nichtwähler leere oder ungültige Stimmen abgeben, dann wären das rund 1’367’700 Stimmen. Das wären mehr als doppelt so viel Stimmen als die SVP als meistgewählte Partei in den Wahlen erzielt hat.
Ein solches Ergebnis wäre eine massive Relativierung der Ergebnisse und müsste allen Parlamentariern zu denken geben. Welche Legitimation hätten sie durch so ein Wahlergebnis erreicht das Land zu regieren? Der geringe Preis um ein solches Wahlergebnis zu erhalten wäre, sich um die Wahlen zu bemühen und wirklich abstimmen zu gehen.
Auf den Punkt brachte es der Nebelspalter mit seinem humoristischen Artikel «Alles Wahlbetrug?»
Go and vote:
Wenn wir etwas verändern wollen, dann müssen wir uns auch für die Veränderung einsetzen. Deshalb hier die Aufforderung, nehmt euch die Zeit und schaut die Kandidaten genau an und geht wählen! Selbst wenn es ein leerer Wahlzettel ist.
Für eine bessere Politik für das Volk und somit für eine bessere Schweiz.