Dieser Text ist eine Zusammenfassung aus Berichten in Tageszeitungen (Tagesanzeiger, 20 Minuten, Blick am Abend) und Auszügen aus dem Buch Machtgier. Wer die Schweiz wirklich regiert
Einmal im Jahr treffen sich seit 35 Jahren die Topmanager der Schweiz mit Toppolitikern. Ohne jede Publizität. Dieses Jahr kam zum ersten Mal Protest. Und damit die Presse. Ein riesiger Scheinwerferkegel projiziert die Botschaft: «Public Eye is watching you!» an die nächtliche Fassade des Nestlé-Tagungszentrums Rive-Reine bei Vevey. Damit machen Greenpeace und die EvB zehn Tage vor Eröffnung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos auf das eklatante Demokratiedefizit der nach diesem Konferenzzentrum benannten Rive-Reine-Tagung aufmerksam.
Die Schweiz gilt weltweit als Musterbeispiel für gelebte Demokratie. Jeder einzelne Bürger hat die Möglichkeit mit einer mehrheitsfähigen Idee die Entscheide der Machtelite umzustürzen. Doch was ist, wenn sich die führenden Köpfe von Politik und Wirtschaft unter Ausschluss der Oeffentlichkeit über bestimmte Themen geeinigt haben und kein Diskurs die Bevölkerung auf wichtige Aenderungen aufmerksam macht?
Zu Beginn jedes Jahres strömen die Spitzen von Politik und Wirtschaft zum Hauptsitz von Nestlé. Zu den Geladenen der letzten Jahre gehören zum Beispiel Marcel Ospel (UBS), Daniel Vasella (Novartis), Franz Humer (Roche), Walter Kielholz (CS) und weitere Spitzenverdiener, Christoph Blocher (SVP), Doris Leuthard (CVP), Hans-Rudolf Merz (FDP), Pascal Couchepin (FDP) und andere Bundesräte und nicht zuletzt Rainer E. Gut (CS-Ehrenpräsident), Gerold Bührer (Economie-Suisse) sowie Jean-Pierre Roth (Nationalbank), ferner Fulvio Pelli (FDP), Hans-Jürg Fehr (SP) und die übrigen Spitzen der Regierungsparteien.
«Das offizielle Thema 2010? Globalisierung. Finanzkrise. Die Toujours-Themen, wie üblich», sagte ein Top-Berater, der seit Jahren Konzernchefs auf die Rive-Reine-Tagung vorbereitet. «Es gibt dieses Jahr bei Rive nur zwei wirklich wichtige Themen: die Bekämpfung der Abzocker-Initiative. Davor fürchtet man sich sehr. Und die Frage, wie Taxen für Boni und Banken zu vermeiden sind.»
Man müsse sehen: «Die wirklichen Chefs sind: Brabeck. Vasella. Humer. Grübel. Dörig. Also Nestlé, Pharma, Banken. Der Rest, die Schweizer Firmenchefs, sind gut drauf, aber nervös. In Rive-Reine dabei zu sein ist wie geadelt zu werden: Für viele ein klares Upgrading. Die Industrie hat wenig zu sagen: Sie spielt nur die zweite Geige. Typen, die den Bankern an den Karren fahren, wie Hayek, werden nicht eingeladen. Man sieht ihn als Clown, trotz seiner Milliarden. Blocher übrigens wird 2010 auch nicht mehr eingeladen, nur seine Tochter, die Martullo. Andere Banken-Kritiker wie Schneider-Ammann sind zwar dabei: aber nicht richtig ernst genommen. Wer ernst genommen sind will, muss mit den Wölfen heulen. Aber das nur nebenbei.»
Eigentlich ist Rive-Reine ein Instrument des Konkurrenz-Clans: des Traditionsbündnisses von Nestlé, Credit-Suisse und Swiss-Life. Der Mann, der Rive-Reine lange dominierte, war der CS-Chef und Nestlé-Vize Rainer E. Gut. Er war der Mann, der das Investmentbanking, die Top-Löhne und die internationalen Manager in die Schweiz importierte, aber auch als Patriot einen dichten Filz förderte: neben über hundert Top-Jobs war das Rive-Reine-Einladung eine Belohnung für Getreue.
Ihn beerbte als Organisator Kaspar Villiger: einst ein ehrgeiziger Stumpen- und Velofabrikant, dann biederer Finanzminister und danach Verwaltungsrat bei Nestlé, Swiss Life und NZZ. Er legte die Biederkeit ab. Bei der Finanzkrise behauptete er, nicht die Banker, sondern die Regulierungen der Politik seien schuld. Als UBS-Chef sagte er, die Boni seien nichts für die Laien aus der Politik. Man solle die Profis machen lassen.
Kaspar Villiger, Alt-Bundesrat und Nestlé-Verwaltungsrat, organisiert diese verschwiegenen Treffen an den Ufern des Genfersees, an denen über langfristige Trends und Probleme, welche die Schweiz und ihre Wirtschaft betreffen, diskutiert wird. Ins Leben rief Nestlé diese Tagungen der Schweizer Elite aus Sorge um Umwelt und Menschheit bereits in den siebziger Jahren. Von Beginn weg dabei war Rainer E. Gut, CS- und Nestlé-Chef. Er verformte das Netzwerk im lauf der Jahre zum persönlichen Machtinstrument, wie Viktor Parmain seinem Buch Machtgier. Wer die Schweiz wirklich regiert ausführlich beschreibt.
Das erstaunliche an diesen Treffen ist, dass Kaspar Villiger auf der vom Konzern vorgegebenen Null-Information besteht; «Der Gedankenaustausch findet ohne Publizität statt»
Erstaunlich deshalb, weil Kaspar Villiger damals auch Verwaltungsrat bei der Neuen Zürcher Zeitung war, die NZZ aber ihren Lesern eine umfängliche Berichterstattung verweigert.
Die NZZ gerät dadurch in ein Dilemma, denn für Medienschaffende lautet eine der wichtigsten Standesregeln: „Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen (Rechte und Pflichten des Schweizer Presserats).»
Falls dies einem der Teilnehmer auf den Magen schlagen sollte, kann er bei den Geistlichen um Beistand bitten. Die Gottesmänner Abt Martin Werlen vom Kloster Einsiedeln, und Pfarrer Thomas Wipf, Präsident des Evangelischen Kirchenbunds, seien oft auch mit von der Partie.
Heute ist Peter Brabeck Hausherr und Organisator. Das zeigte auch eine Szene aus der Nestlé-Betriebskultur. Dort sind Parkplätze hoch symbolisch. Angestellte parkieren weit draussen, Kader im Parkhaus, Direktoren neben der Tür, Generaldirektoren dürfen ihre Limousine dabei schräg stellen. Brabeck parkierte diesen Montag mit schwarzem Sportwagen nur zwei Meter vor der Rive-Reine-Privathoteltür.
Teilnehmende Politiker sagten, es herrsche bei Rive-Reine «die normale Konferenzatmosphäre: Smalltalk und Viersternluxus». Sie hörten zu. Und ihnen würde auch bei Kritik zugehört.
Der Rive-Reine-Berater lachte bitter, als er das hörte: «Die Politik ist für die Wirtschaftsbosse wie ein Baby. Man lacht, wenn es einem die Knie nass macht.»
Kommentar: Diese geheime Zusammenkunft der Architekten von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft lässt an die internationale Bilderberg-Konferenz erinnern, vor allem in Anbetracht der geladenen Gäste und ausgewählten Themen. Die Schweiz ist eingebunden in komplexe finanzielle und ökonomische Strukturen die international durch solche geheimen Meetings koordiniert werden (Siehe: Unsere Bilderberger – Schweizer Politiker und ihre Geheimtreffen). So werden die ‹fähigsten› Exponenten aus den jeweiligen Sparten Politik, Finanzen, Umwelt & Verkehr, Kirche & Religion und Wirtschaft von Tavistock-Ideologen zu einem dynamischen, flexiblen, Team zusammengeschweisst. Diese Individuen können jederzeit ersetzt werden und stehen in einer pyramidalen Hierarchie unter den berüchtigten Sympathisanten der Neuen Weltordnung die im Hintergrund die Fäden ziehen.
Solange sich das Volk regieren lässt und es den einzelnen Bürger kalt lässt, wenn die Eigenverantwortung von den oben genannten Machtmenschen dankend abgenommen wird, werden keine gewünschten Veränderungen eintreffen. Die Zeit ist günstig…